Theater Fiesemadände

Presse › Pressekritik 

Ein Spiel auf mehreren Ebenen

Ein Spiel auf mehreren Ebenen Theater Fiesemadaende 10 Oktober 2020
Die Oberkircher Literaturtage „Spätlese“ eröffneten mit der Premiere von Carsten Dittrichs  „Sherlock Holmes und die Puppe am Galgen“.
Eine wahrlich spannende Mischung aus Lesung, Puppenspiel und Theater.

 
Oberbürgermeister Matthias Braun gab am Donnerstagabend den Startschuss für die Oberkircher Literaturtage „Spätlese“. Die  Veranstaltungen, so Braun, können nur mit großem Einsatz des Kulturamtes stattfinden, „und mit Einschränkungen, was Veranstaltungsorte und Zuschauerzahlen betrifft“. Carsten Dittrich zeigte sich daher dankbar, dass die Stadt Künstler in einer „schweren Zeit unterstützt und eine Mindestgage zuspricht.“ 

Der Lockdown hat Dittrich die Möglichkeit gegeben, statt einer Adaption diesmal ein eigenes Stück zu schreiben. „Ein Krimi und Grusel sollte es sein, und Sherlock Holmes hat ja immer mystische Elemente“, erklärte der Schauspieler und Regisseur seine Themenwahl. „Stephen King rät in seinen Anregungen ‚Über das Lesen und das Schreiben‘ nur über das zu schreiben, was du kennst, und mit Puppen kenne ich mich aus“, so Dittrich. „Die Herausforderung war, dem Stück eine moderne Dramaturgie zu geben und zu straffen, einen hohen Spannungsbogen zu schaffen und trotzdem das Ganze noch nach Sherlock Holmes klingen zu lassen, also den Sprachduktus der Zeit – Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert – beizubehalten“, erläutert er die Vorgaben.

Etwas Unfassbares, Grausames geschieht in einem englischen Hafenstädtchen. Eine eigentlich harmlose Puppentheateraufführung einer Wanderbühne endet in Panik – wegen des Mordes an einem Obdachlosen. Kann es sein, dass eine kleine grinsende Handpuppe – der Punch, das englische Gegenstück zum Kasper – vom Teufel besessen ist und die Zuschauer ins Verderben reißt? 

Wütender Mob

Der wütende Mob jedenfalls will das Puppenspieler-Ehepaar zur Verantwortung ziehen und lynchen. Doch die Puppenspielerin findet noch die Möglichkeit, sich an den Meisterdetektiv Sherlock Holmes und seinen Assistenten Dr. Watson zu wenden, und die starten eine waghalsige Rettungsaktion.

Es ist ein Spiel auf mehreren Ebenen, das raffiniert Lesung, Puppen-, Schatten- und Schauspiel und die Fantasie der Zuschauer mit einbezieht, wenn die Detektive etwa im Automobil – zwei Stühlen – von London durch diverse Grafschaften an die Südküste rasen, während sie philosophische Gespräche führen – und dafür heftigen Applaus erhalten. Zwischendurch fallen sie völlig aus dem Spiel und ergehen sich in privaten Wortgefechten.

Carsten Dittrich ist der intellektuelle Sherlock Holmes, seine Angestellte die liebreizende und völlig verzweifelte Puppenspielerin, während die geifernde Wirtsgattin nur durch einen spitzen Zeigefinger dargestellt wird; Thomas H. Schiffmacher, einst Dittrichs Dozent an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin, verkörperte zum einen den immer etwas begriffsstutzigen Dr. Watson, aber auch den jovial wirkenden und durchgreifenden Polizeichef und beeindruckte bei der Schilderung des Krimihöhepunktes – absolute Stille. 
Beim Gespräch mit dem lokalen Gärtner des Hafenstädtchens lichtet sich nämlich das Dunkel, Sherlock Holmes fasst die Fäden zusammen und löst den Fall – nur so viel: Der Gärtner ist nicht der Mörder! 

Aktuelle Anspielungen

Für die Ausstattung ist neben Matthias Hänsel aus Dresden der Oberkircher Wolfgang Duksch zuständig, der vier beeindruckende Holzpuppenköpfe geschaffen hat, Annika Bienek sorgte für die Bekleidung der Puppen. 
Das Publikum spendete sehr langen verdienten Beifall für ein witzig-spannendes Krimivergnügen, das auch in der Stadthalle funktionierte, obwohl es für Kleinkunstbühnen konzipiert ist, das mit aktuellen Anspielungen überzeugte. Etwa, wie ein wütender und gefährlicher Mob entsteht, angestachelt von menschenverachtenden Drahtziehern. 

Der Erfolg dürfte Dittrich bestärken, der vor der Corona-Krise mit dem Gedanken liebäugelte, nur noch zu schreiben und Regie zu führen. Die schauspiellose Zeit habe ihm allerdings deutlich vor Augen geführt, dass er „sein“ Publikum mehr brauche als gedacht. Er wird auch in Zukunft dreigleisig fahren.

→ Mehr Informationen zum Stück

Autorin: Johanna Graupe - baden online



Kommentar senden
Bitte füllen Sie folgendes Formular aus, um diesen Artikel zu kommentieren.

              _       __ 
             | |     / _|
__  __ _   _ | |__  | |_ 
\ \/ /| | | || '_ \ |  _|
 >  < | |_| || | | || |  
/_/\_\ \__, ||_| |_||_|  
        __/ |            
       |___/             
Geben Sie bitte die Zeichen auf dem Bild hier ein
Wir erfassen Ihren Namen, Ihre E-Mail Adresse und Telefonnr., um Ihren Kommentar zu verifizieren und ggf. zu veröffentlichen. Für weitere Informationen lesen Sie unsere Datenschutzerklärung.
Weitere Presse Artikel

Zurück zu Pressekritik